Die drei repräsentativen Hauptquellen zur Tanzkunst sind die Manuskripte von Domenico da Piacenza und seinen Schülern Antonio Cornazano und Guglielmo Ebreo.
Nach zeitgenössischer Sichtweise spiegelt sich in der Harmonie von Natur,
Universum und gut geführtem Staat eine Art mystischer Tanz wider, dessen
organischer Bestandteil auch der Mensch ist. Die Grundregeln (fundamenta)
bzw. Geheimnisse (misteri) des idealen Tanzes sind:
Zeitmaß / Einhaltung von Rhythmus und Tempo (misura), die Art zu tanzen
/ Ausdruck der Körperbewegungen (maniera), das Gedächtnis / Einhaltung der
Reihenfolge der Bewegungen (memoria), die entsprechende Ausnutzung des Raumes
(partire del terreno), die seelischen Anlagen, Feingefühl, Anmut (aere),
sowie die körperlichen Anlagen, Lebenskraft und Gesundheit (movimento corporeo).
Meister Domenico lehrte seine Schüler die Achtung vor dem "Maß" und weihte sie in die Tanzkunst ein. Die von ihm und seinen Schülern im Laufe des 15. Jahrhunderts herausgegebenen Schriften können als Grundlagen der europäischen Tanzkunst angesehen werden.
Man kann zwei Gattungen von Tänzen unterscheiden: Die Bassa danza (auch
mit Übergängen zum Ballo), die aus dem höfischen Paartanz des Mittelalters
hervorgegangen ist und den Ballo, ein Tanz zu verschiedenen Rhythmen, der
oft entsprechend den Titeln schauspielerische Elemente enthielt (La Ingrata
- die Undankbare, Gelosia - Eifersucht, Mercantia - Liebeshandel).
Die Grundrhythmen waren: Bassa danza (6/4 Takt), Saltarello (3/4), Quadernaria
(4/4) und Piva (2/4)
Domenico da Piacenza (auch "Domenico da Ferrara" genannt) war über 30 Jahre lang Tanzmeister am Hofe in Ferrara. Seine um 1450 entstandene Handschrift "De arte saltandi & choreas ducendi" (Paris, Bibliothèque nationale, fonds ital. 972) (ital. "De la arte di ballare et danzare") enthält detailliert beschriebene Basse danze und Balli, sowie die Regeln der Tanzkunst.
Antonio Cornaz(z)ano (1429/30-1484) war ein vielseitiger Hofschreiber (Piacenza, Mailand, Venedig, Ferrara) und ein Schüler Domenicos. Er beschreibt in seinem "Libro sull'arte del danzare" (1455/1465) nach einem tanztheoretischen Abschnitt die Balli und Basse danze, die seinerzeit angesehener waren.
Guglielmo Ebreo (1420-1484; seit 1465 Giovanni Ambrosio genannt), auch ein Schüler Domenicos, war sehr erfolgreich bei seinen Tätigkeiten als Tanzmeister (Pesaro, Urbino, Florenz und Mailand), so daß neun verschiedene Handschriften von ihm überliefert sind.
Ebreos Werk erläutert in "De praticha seu arte tripudii vulgare opusculum" (um 1463) im ersten theoretischen Teil ebenfalls die sechs Grundregeln der Tanzkunst, darauf folgt die Tanzpraxis, und im dritten Teil werden Basse danze und Balli beschrieben.
Ebreo selber können wohl die Bassedanze "Alessandrescha, Caterva, Cupido, Ginevra, Gioliva, Pazienza, Pellegrina, Pietosa, Principessa", die Balli "Colonnese, Duchesco, Grazioso, Legiadra" und das Balletto "Gioioso" zugeschrieben werden.
Cesare Negri (auch als "Il Trombone" bekannt, ca.1536 Mailand - ca.1604) war Tanzmeister am Hof zu Mailand. Sein erstmals 1602 in Mailand erschienenes Traktat " Le Gratie d'Amore" (Neuausgabe: Nuove Inventioni di Balli, Mailand 1604) gehört mit den Werken von Fabritio Caroso zu den bedeutendsten Quellen der höfischen Renaissancetanzkunst in Italien.
Aufgeteilt in drei Abschnitte, beschreibt der erste Teil den beruflichen Werdegang Negris, während der zweite dem virtuosesten Gesellschaftstanz der Zeit - der "Galliarde" - gewidmet ist. Der dritte Teil vermittelt ein breites Repertoire zusätzlicher Tanzschritte, die in den 43 Choreographien des Werks verwendet werden. Vielen Tänzen sind ganzseitige Abbildungen vorangestellt, die einen Eindruck zumindest von der Ausgangsposition der einzelnen Tänze vermitteln. Jeder Tanz ist mit der entsprechenden Musik in italienischer Lautentabulatur und/oder Mensuralnotation versehen.
Fabritio Caroso (1525/35 Semoneta - 1605/20) verfasste zwei Tanzschriften: "Il Ballarino", 1581 in Venedig erschienen und Bianca Cappello gewidmet (Ehefrau Francescos I. de'Medici, Großherzog der Toskana), und "Nobiltà di Dame" (Venedig, 1600) für Don Ranuccio Farnese, dem Herzog von Parma und Piacenza. Seine beiden Traktate geben zusammen mit den Werken von Cesare Negri eine Vorstellung vom höfischen Gesellschafts- und Bühnentanz in Italien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie enthalten neben Schrittbeschreibungen und allgemeinen Verhaltensregeln insgesamt 131 Choreographien, zu denen die Musik lediglich in Lautentabulatur notiert ist.
"Il Ballarino" enthält insgesamt 81 Choreographien. Mit wenigen Ausnahmen weisen alle Tänze neben dem Titel die Gattungszuordnung sowie die jeweilige Widmungsträgerin auf. Zu Beginn des Traktats stehen die Tänze für die ranghöchsten Damen (jeweils mit Abbildungen), danach folgen die Tänze für die rangniedrigeren Damen.
Zu dieser Zeit gibt es zwei Gattungen von Tänzen: Die Balletti gehören zu den geschlossenen Tanzformen: Alle Schritte sind für eine bestimmte Choreographie genau vorgeschrieben. Zu den Balli (offene Tanzformen) zählen der Canario, die Gagliarda, der Tordiglione, sowie der Passamezzo. Hier steht jeweils eine größere Auswahl an Schritt(sequenz)en zur Verfügung, die im vorgegeben Rahmen improvisierend verwendet werden können.
Die stilistische Entwicklung führt von einer variableren Schrittfolge der späten Bassedanze und Balli des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts hin zu einer streng symmetrisch angelegten Abfolge von Schrittsequenzen, was man an den späteren Tänzen insbesondere im zweiten Traktat "Nobiltà di Dame sehen kann.
Les basses danses de Marguerite d’Autriche (das sog. Tanzbüchlein der Margarete von Österreich), Bibliothèque Royale Albert Ier, Bruxelles, Ms. 9085. Das um 1470 entstandene kalligraphisches Meisterwerk diente als Quelle und Anleitung zum Tanz und vermittelt den Glanz am burgundischen Hofe.
Es enthält u.a.: Mamie, La basse danse du roy despaingne, Avignon, La rochelle, Orleans, Le petit rouen, Le hault et le bas, Alenchon, La portingaloise, Beaulte de castille, Le doulz espoir, Le petit roysin, La danse de ravestain, Triste plaisir, Le grant rouen, Le mois de may, La navaroise, Flourentine, La verdelete, Le ioieux de brucelles, Vaten mon amoureux desir, Joieusement, La doulce amour, Venise, La haulte bourgongne, La danse de cleves, La franchoise nouvelle.
Orchésographie, Thoinot Arbeau (Langres, 1589) "Et traicte en forme de dialogve, par leqvel tovtes personnes pevvent facilement apprendre & practiquer l'honneste exercice des dances".
Von dem französischen Geistlichen Jehan Tabourot (1519-1595) in Form
eines Dialogs zwischen Tanzmeister und Schüler verfaßt, ist die Orchésographie
ein zentrales Werk zum Verständnis der französischen Gesellschaftstänze
des späten 16. Jahrhunderts. Es liefert entscheidende Informationen über
das Benehmen in der höfischen Gesellschaft und der Interaktion zwischen
Musikern und Tänzern, ergänzt durch ein System der Notenschrift, das die
Musik und die Tanzschritte zueinander in Beziehung setzt. Die Orchésographie
bespricht Spätrenaissancetänze einschließlich Galliarde, Pavane, Branle,
Volta, Morisque, Gavotte, Allemande und Courante.
Viele sind ursprünglich Volkstänze, die er für den höfischen Gebrauch bearbeitet
hatte - und die auch heute noch getanzt werden.
Als der Verleger John Playford1651 erstmals den "The English Dancing Master" veröffentlichte, waren Country Dances nicht neu. Das Sammelwerk enthält Tanzanweisungen mit dazugehörigen einstimmig notierten Melodien. Jede der (17 weiteren bis 1728) Auflagen enthielt alte Tänze und fügt neue hinzu. Sie stammten zum Teil aus ländlichen Regionen, wurden vom Landadel bei Hofe eingeführt und gelangten von dort in alle Gesellschaftsschichten. Zu den bekanntesten Stücken gehört zweifellos das berühmte "Greensleeves".
[Die "Contrapassi" von Caroso (Il Ballarino, 1581, Nobiltà di Dame, 1605) sind Rounds, und der Ballo "Catena d'Amore" von Negri (Gratie d'Amore, 1602) ist ein Longway; sie entsprechen zwei Basisformen der Country Dances.]
Es gab drei Grundformen: Kreis, Quadrat und Gasse, die als Rounds, Squares und Longways für 2, 4, 6, 8 oder beliebig viele Paare ("for as many as will") getanzt wurden. Zunehmend dominierten aber Tänze in der Gasse für beliebig viele Paare.
Diese beliebten Tänze beschlossen mit ihren abwechselnden Figuren, ihren einfachen Tanzbewegungen und zündenden Melodien häufig die Tanzfeste am englischen Hofe unter Elisabeth I. Ende des 17. Jahrhunderts wurden sie am Hofe Ludwigs XIV und in den gehobenen Schichten eingeführt - und mit barocken französischen Tanzschritten versehen. Französische Tanzmeister machten eigene Aufzeichnungen (A. Lorin, 1685, 1688) zu den populären Tänzen. Aus dem "country dance" wurde die französische "contredanse" ( deutsch "Kontratanz").
Es trennten sich sich zwei Arten von Tänzen: Die (Contredanse) Anglaise, mit der ursprünglichen Tanzform als Longway mit Fortschritt, und die Contredanse française. Der erste notierte Tanz, der das für die spätere "Française" bestimmende Schema hatte (Zwei-/Vierpaartanz im Quadrat), war der "Cotillion", den Raoul Auger Feuillet 1706 im "Recueil de contredanses" veröffentlichte. Viele solcher Tänze finden sich in den Kompositionen von Mozart, Beethoven und Schubert wieder.
Um 1800, zur Zeit Napoleons I., fand eine andere Weiterentwicklung zur "Quadrille" statt, die bis Ende des 19. Jahrhunderts populär war.
Auf die in den Ballsälen vom Menuett verdrängte "Allemande" (Vortanz in geradem Takt, Nachtanz in schnellerem Dreiertakt) zurückgehend, taucht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der sog. Deutsche Tanz auf, der im 19,. Jh. unter Beschleunigung des Tempos in den Walzer übergeht.